CASANOVA und zwei Gemälde
Die Geschiche eines Bildes
aktualisiert am: 27.06.2020
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Das Bild der O´Murphy,
Casanova und Zweibrücken
Kaum ein Bild des galanten
Zeitalters, des Rokokos, ist wohl so bekannt und so oft reproduziert worden wie
das Gemälde des sogenannten ruhenden Mädchens, das die Kunstgeschichte als
Portrait der jungen O´Murphy kennt. Doch nur sehr wenige wissen um das
Geheimnis, das dieses Bild umgibt, und welche Bedeutung es für die Stadt
Zweibrücken hat.
Um dieser Geschichte auf die Spur
zu kommen, wollen wir uns daher im Folgenden ein wenig mit dem Künstler und dem
dargestellten Mädchen beschäftigen.
Wir kennen zwei Versionen des
ruhenden Mädchens, das in der Kunstgeschichte auch als “L´Odalisque blonde“
(blondes Haremsmädchen) bezeichnet wird.Eine davon finden wir im berühmten Walraff-Richartz-Museum
in Köln und die andere in der traditionsreichen Alten Pinakothek in München.
Die Kataloge beider Museen nennen den französischen Hofmaler François Boucher,
den Meister der galanten Aktgemälde, als den Urheber des Bildes.
War aber wirklich Boucher selbst,
der damals in Paris ein großes Atelier unterhielt und zahlreiche junge Künstler
zur Ausbildung bei sich beschäftigte, derjenige der den Pinsel führte?
Ich habe den Verdacht in dieser
Angelegenheit haben sich wohl noch nie Kunsthistoriker und
Literaturwissenschaftler gemeinsam an einen Tisch gesetzt.
Zwar verweisen viele Artikel, die
sich mit den beiden Bildern beschäftigen auf den großen Abenteurer Giacomo
Casanova und eine Bemerkung, die dieser zu dem Bild gemacht haben soll. doch kaum
einer hat sich vielleicht die Mühe gemacht, die Originalstelle in den Memoiren
des großen Liebhabers nachzulesen.
Giacomo Casanova, der uns heute
leider nur noch wegen seiner erotischen Abenteuer, oder genauer gesagt, wegen
deren Schilderung bekannt ist, war ganz anders als sein Ruf.
Der Venezianer
Casanova, Doktor der Rechte und studierter Theologe lebte, in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er war sicherlich ein Freigeist aber gewiss kein
Wüstling. Die Anzahl der Frauen, die er in seinem Leben geliebt hat, würde
heutzutage ein Oberkellner auf Ibiza schon nach einer Saison nur noch mitleidig
belächeln.
Seine
mehrbändigen Lebenserinnerungen schildern sehr anschaulich die Verhältnisse in
Europa vor der Französischen Revolution, die Situation an den unterschiedlichen
Fürstenhöfen und die Begegnungen mit interessanten historischen
Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaften.
Casanovas Memoiren bilden eine
unerschöpfliche und reichhaltige Quelle für alle, die an dieser Epoche
interessiert sind. Er verfasste sie am Ende seines Lebens, fast 80-jährig in
Dux in Böhmen, wo er sein abwechslungsreiches Leben als Bibliothekar eines
kleinen Fürstenhofes beendete und wo er auch begraben liegt.
Die Erzählungen über seine
Liebesabenteuer hat er nach eigenen Angaben nur in seine Bücher aufgenommen, um
sich als alter Mann an der Erinnerung zu wärmen.
Casanova weilte mehrere Male in
Paris, jeweils für einige Jahre. Das erste Mal als noch sehr junger Mann, um
seine Französischkenntnisse zu perfektionieren.
Er erzählt, dass eines Tages sein
Freund Patu den Einfall, hatte, bei einer Schauspielerin namens Morphi „zu
Abend zu essen“ und dieser lud ihn ein, sich daran zu beteiligen.
Margaret Morphi, geb. Iqui, die
Mutter der Schauspielerin, war mit ihrem Mann Daniel, einem Iren, nach
Frankreich gekommen. Es schrieb sich Morfi und kämpfte in England für die
Rückkehr des katholischen Königshauses. Von dort musste er als politisch
Verfolgter fliehen und versuchte sich und seine Familie als Schuster zu ernähren.
Allerdings glitt er immer mehr in das
kriminelle Milieu ab und wurde schließlich wegen Erpressung und Spionage in der
Bastille inhaftiert.
Nach dem Tod ihres Mannes zog
seine Frau mit den Kindern nach Paris. Die Art und Weise wie die Irin mit ihren
fünf Töchtern nun den Lebensunterhalt bestritt brachten ihren Namen nicht nur
in die Akten des Polizeiinspektors Meunier, sondern ihr selbst auch einige
Aufenthalte im Gefängnis wegen Prostitution ein.
Die beiden Männer, Patu und
Casanova, wussten also sehr genau, wo sie zu Besuch waren.
Die ältere Tochter der Madame
Morphi hatte für Casanova keinen Reiz, „aber was tut man nicht einem Freund
zuliebe?“ (Zitate aus den Memoiren)
Während Patu Lust hatte, sich dort einer "süßeren Beschätigung zu widmen", verlangte Casanova, der seinen Freund nicht verlassen wollte, "ein Kanapee, um darauf in Züchten die Nacht zu verbringen".
Weiter schreibt Casanova: „Die
Morphi hatte eine Schwester, einen kleinen Schmutzfinken von etwa dreizehn
Jahren; diese sagte mir, wenn ich ihr einen kleinen Taler geben wollte, würde
sie mir ihr Bett abtreten.“
Der verlangte kleine Taler,
offensichtlich ein Silber Ecu, wie er damals in Frankreich in Umlauf war, hätte
heute eine Kaufkraft von etwa 10 Euro.
Die angebotene Schlafstatt
bestand aus einem Kämmerchen mit einem Strohsack auf vier Brettern. Casanova,
der als erfahrener Liebhaber mit dem Mädchen nichts anfangen kann, versichert
der Kleinen, die sich auch noch als lebende Wärmflasche nackt zu ihm legt, „dass
er ihr nichts tun wird.“
Doch mit Kennerblick entdeckt er,
dass er hier eine zwar ungewaschene aber „vollendete Schönheit“ vor sich
hat.
Neugierig geworden, investiert er
einen weiteren „Sechsfrankentaler“, um den „kleinen
Schmutzfink“ abwaschen zu dürfen. Das Mädchen, das den Besucher für einen
perversen Lüstling hält, lässt keine weiteren Intimitäten zu, an denen Casanova
auch nichts lag, denn alles Weitere wäre „nach der Meinung ihrer Schwester
fünfundzwanzig Louis wert“.
Die Kleine meint damit 25 Louisdor,
eine damals in Frankreich gebräuchliche Goldmünze mit dem Bildnis des Königs
und einen Wert von etwa 400 € heutiger Kaufkraft. Ganz geschäftstüchtig hatte
also die Schwester einen Preis von 10.000 € heutiger Kaufkraft für „das erste
Mal“ der kleinen Helene festgesetzt.
Das Mädchen gibt am Morgen das bisher
von Casanova erhaltende Geld ihrer Schwester ab und diese macht das Angebot,
noch etwas vom Preis für ihre Schwester abzulassen, denn sie brauche Geld.
Der Lebemann geht natürlich nicht
darauf ein, erzählt aber seinem Freund Patu von der Schönheit der kleinen
Frühreifen, und beide beschließen, sie noch einmal zu besuchen.
Helene wird also wieder
entkleidet und begutachtet. Patu muss eingestehen, dass sein Freund wirklich
ein Kenner weiblicher Schönheit sei: „Er gab zu, dass der Meißel des
Praxiteles niemals etwas Vollkommeneres habe erschaffen können. Weiß wie eine
Lilie bot Helene das schönste Bild, das Natur und Malerkunst zusammen
hervorzaubern könnten. Ihre schönen Züge hatten so etwas Liebliches, dass dem
Beschauer ein unbeschreibliches Glücksgefühl, eine köstliche Ruhe sich in die
Seele senkten. Sie war blond, und trotzdem hatten ihre herrlichen blauen Augen
den ganzen Glanz der schönsten schwarzen Augen.“
Zwei Monate lang besucht Casanova
die beiden Morphi Schwestern. Jeder
Besuch kostet ihn „zwölf Franken“ und damit stand ihm der Besuch von
Helenes Zimmer frei. Der sogenannte Franken der damaligen Zeit war eine
Silbermünze von etwa 12 € heutiger Kaufkraft. Casanova erinnert sich: „Das
war ein starker Wucher, aber die Morphi war griechischer Abstammung und über
leere Gewissensbedenken völlig erhaben. Ich hatte keine Lust, ihr diese Summe
zu geben, weil ich kein Verlangen nach dem Gegenwert empfand.“ So gab
Casanova das Geld aus, “ohne etwas mit dem Mädchen gemacht zu haben“.
Weiter schreibt Casanova: „Ich
bekam Lust, den herrlichen Mädchenleib im Bilde zu besitzen und ein deutscher
Künstler malte sie mir göttlich schön für 6 Louis. Die Stellung, die er sie
einnehmen ließ, war entzückend. Sie lag auf dem Bauch, Arme und Beine auf ein
Kissen aufgestützt, aber den Kopf so herumgedreht, wie wenn sie zu drei
Vierteln auf dem Rücken gelegen hätte. Der geschickte und geschmackvolle
Künstler hatte den unteren Teil ihres Leibes mit so viel Kunst und Wahrheit
gemalt, dass man sich nichts Schöneres wünschen konnte. Ich war entzückt von
diesem schönen Portrait, das sprechend ähnlich war und ich schrieb darunter: O
Morphi – ein Wort, das zwar nicht homerisch, aber nichts destoweniger
griechisch ist und Schöne bedeutet.“
Hier wird das Gemälde des
ruhenden Mädchens, das heute in den beiden großen Museen bestaunt werden kann
und dessen Modell als erstes „Pin Up Girl“ gilt, genauesten beschrieben.
Bemerkenswert ist die Betitelung „O Morphi“, die der klassisch gebildete
Abenteurer wählte. „Omorphia“ ist das griechische Wort für Schönheit, und so kam
das Mädchen, das eigentlich Helene Morphi hieß, zu dem Namen O´Murphy unter dem
sie in die Kunstgeschichte einging und der, da sie ja irischer Abstammung war,
auch passend klingt.
Der deutsche Maler wurde mit
einem Honorar, das etwa dem Doppeltem eines Monatslohnes eines tüchtigen
Malers, der bei einem großen Künstler zur Ausbildung war, angemessen entlohnt.
Doch die Geschichte des Bildes
ist damit noch nicht zu Ende. Casanovas Freund Patu bekam Lust eine Kopie des
Bildes zu besitzen, und derselbe Maler erhielt den Auftrag, sie anzufertigen.
Dieser Maler, so berichtet
Casanova weiter, wurde nach Versailles berufen und zeigte dort unter mehreren
anderen Bildern auch das Portrait des Mädchens und „der Herr de St. Quentin
fand es so schön, dass er nichts Eiligeres zu tun hatte, als es dem König zu
zeigen. Als großer Kenner auf diesem Gebiet beschloss Seine Allerchristliche
Majestät sich mit eigenen Augen zu überzeugen, ob der Maler naturgetreu kopiert
hätte, und wenn das Original ebenso schön war wie das Abbild, so wusste der
Enkel des Heiligen Ludwig sehr wohl, was er damit anfangen könnte.“
Herr von St. Quentin der damals
am Hofe Ludwig XV. wohl so etwas wie Kultusminister und zuständig für die Zerstreuung
des Königs war, wurde beauftragt das Mädchen zum König zu bringen.
Nun kam der Maler wieder zu
Casanova, der den Vorschlag „entzückend“ fand, und die Dinge nahmen
ihren Lauf: „Ich sprach darüber sofort mit der älteren Schwester, die vor
Freude ganz außer sich war. Sie begann also sofort, ihre jüngere Schwester zu
säubern, ließ ihr ein nettes Kleid machen, und zwei oder drei Tage darauf
fuhren Sie mit dem Maler nach Versailles, um das Abenteuer zu bestehen“.
Die Zusammenkunft mit dem König
gibt uns Casanova in seinen Memoiren sehr detailreich wieder. Offensichtlich
konnte er sich dabei auf die Schilderung der Kleinen stützen.
Das Mädchen umgarnte den König,
dem sie sogleich auf den Schoß sprang mit ihrer Naivität.
Casanova erzählt: „O-Morphi sah aufmerksam ihren Gebieter an
und lächelte. ‚Worüber lachst du?‘ ‚Ich
lache darüber, dass Sie einem Sechsfrankentaler so ähnlich sehen, wie ein
Tropfen Wasser dem andern.‘ Über diese
Naivität lachte der Monarch laut auf; hierauf fragte er, ob sie in Versailles
bleiben wollte.“
Natürlich wollte Sie und hatte
ihr Glück gemacht.
St. Quentin begab sich nun zu dem
deutschen Maler und kaufte ihm das Portrait für fünfzig Louis d´Or (20.000 €)
ab. Die ältere Schwester erhielt 1.000
Louis.
Besonders Lob zollte Casanova dem
deutschen Künstler: „Der gute Deutsche gab mir 25 Louis für mein Portrait
und versprach nur, das in Patus Besitz befindliche mit der größten Sorgfalt für
mich zu kopieren. Ferner erbot er sich, mir umsonst alle Mädchen zu malen,
deren Bild ich zu besitzen wünschte.“
Gibt es vielleicht noch ein
drittes Portrait? Ich weiß es nicht. Ich glaube eher, wegen der Abreise
Casanovas aus Paris, konnte der Deutsche sein Versprechen nicht einlösen. Nach
Abschluss seiner Ausbildung ging dieser Maler zurück in seine Heimat und kam
dort zu höchsten und allerhöchsten Ehren. Aber davon später.
Überlassen wir an dieser Stelle
Casanova seinen weiteren Abenteuern und bleiben noch in Paris bei dem Mädchen
und den Gemälden.
Das Bild, das vom König gekauft
wurde, war offensichtlich das für Casanova gemalte Portrait, das er schon
gesehen hatte, das aber noch nicht übergeben worden war. Der Maler brauchte es
ja noch für Patus Kopie. Es ist jenes
Bild, das heute das Walraff-Richartz Museum ziert. Es gilt allgemein als die
bessere Arbeit. Die für Patu angefertigte Kopie ist das Bild in der Alten
Pinakothek.
Aber warum werden beide Bilder François
Boucher zugeschrieben? Dieser Künstler war offizieller Hofmaler von Ludwig XV.
und ein besonderer Günstling der Madame Pompadour die als „Maitresse en titre“
größten Einfluss auf den König hatte. Als angesagter Liebling der adeligen
Kundschaft entsprachen seine Werke, die insbesondere in seinen Aktgemälden die
weibliche Grazie und Anmut zum Ausdruck brachten, genau dem Zeitgeschmack des
Rokokos. Daneben war Boucher Dekorateur, entwarf Bühnenbilder für das Theater
und war Professor an der königlichen Akademie der schönen Künste. In seinem
großen Atelier beschäftigte er zahlreiche talentierte Nachwuchskünstler, die
von den bedeutendsten Fürstenhöfen als Meisterschüler zu ihm entsandt worden waren.
Da Boucher schon früh von
Krankheit geschlagen war und seine Sehkraft immer weiter nachließ, wurden in
vielen Fällen Boucher-Originale in seinem Atelier von seinen Schülern vollendet.
Oft gab der Meister die Komposition vor und legte eventuell noch letzte Hand
an. Ein damals in großen Ateliers nicht unübliches Verfahren, insbesondere wenn,
wie bei Boucher, zahlreiche Aufträge gleichzeitig ausgeführt werden mussten.
Auch ist von Boucher bekannt, dass er bei seinen Aktgemälden ungern mit
Modellen arbeitete, sondern sich lieber auf seine Phantasie verließ.
Ein ehemaliger Meisterschüler
Bouches berichtet darüber in seinen Lebenserinnerungen: „Geraume Zeit
hindurch mussten wir nach seinen schönen Zeichnungen, die er stets in seiner
Brieftasche aufbewahrte, Kopien anfertigen. Während eines Frühstücks
überarbeitete er sie dann, machte Originale daraus und verkaufte sie.“
So ist vermutlich das Portrait,
das der deutsche Maler für Casanova anfertigte, auuch als „Boucher“ in
Versailles vorgestellt worden, was sich sicherlich vorteilhaft auf den Preis
ausgewirkt hat.
Die kleine Helene Morphi lebte nun unter dem Namen Marie-Louise
O´Murphy als Kurtisane im „Parc-aux-cerfs“ dem Lustgarten des Königs, in
Versailles und wurde schon nach einem Jahr schwanger. Ihre Tochter, Agatha
Louise de Saint- Antoine de Saint- Andre, wurde allerdings nur 20 Jahre alt. Doch
bereits nach zwei Jahren, in denen die O´Murphy den König mit ihrer Naivität
erfreute, fiel sie einer gemeinen Palastintrige zum Opfer und wurde auf
Anweisung der Madame Pompadour vom Hof entfernt.
Als „Abfindung“ wurde sie mit dem
jungen und hübschen Offizier Jacques de Beaufranchet verheiratet. Der Sohn, der
aus dieser Ehe stammt, ist der späteres General Louis Charles Antoine de
Beaufranchet, der – wenn man nachrechnet – ein Sohn Ludwigs XV. sein müsste. Auch
eine weitere Tochter entstammte dieser Ehe. Als Helenes Mann Jacques im
Siebenjährigen Krieg in der Schlacht bei
Rossbach fiel, heiratete sie mit 22 Jahren den alten adeligen Bankier Francois
Nikolas Le Normant, mit dem sie eine Tochter mit Namen Marguerite hatte, und der sie bald zu einer reichen Witwe
machte. Nach dessen Tod wurde sie die Geliebte des Abbé Joseph-Marie Terray,
der später Finanzminister von Louis XV. wurde, und konnte so als
„Steuerpächterin“ des französischen Staates ihr Vermögen geschickt weiter
vermehren.
Während der französischen
Revolution ab 1789 bekam die frühere Geliebte des Königs als Geschöpf des „Ancien
Régime“ Schwierigkeiten. Mittlerweile 60 Jahre alt, wurde sie inhaftiert. Sie
musste die Enthauptung Ludwig XVI., der Königin Marie Antoinette und der Madame
Dubarry, der letzten Maitresse ihres Ludwigs XV. mit ansehen. Ihr Sohn, Louis
Charles Antoine de Beaufranchet, der in der Revolutionsarmee diente, bewirkte
ihre Verlegung in ein Gefängnis außerhalb von Paris und rette so ihr Leben.
Sicherheitshalber heiratete sie
mit 66 Jahren in dritter Ehe 1798 den 30 Jahre jüngeren Parlamentsabgeordneten
Louis Phillipe Dumont. Diese Ehe wurde allerdings schon nach einem Jahr wieder geschieden.
Der kleine Dreckfink, der zu einer Figur der Kunstgeschichte geworden war,
starb mit 77 Jahren am 11. Dezember 1814 im Haus ihrer Tochter Marguerite in
Paris.
Ludwig XV. dem sie so viel zu
verdanken hatte, verschied bereits im Jahr 1774 an den Pocken. Wegen der hohen
Ansteckungsgefahr dieser tödlichen Krankheit blieben alle Höflinge in panischer
Angst dem Krankenlager fern. Nur seine Geliebte Madame Dubarry und sein Freund
Christian, Herzog von Pfalz- Zweibrücken waren in den letzten Stunden bei ihm.
Die Tatsache, dass gerade
Christian IV. beim König ausharrte, wurde in Frankreich als ein Zeichen der
unverbrüchlichen Freundestreue gewertet, die auch bereit ist, das eigene Leben
aufs Spiel zu setzen. Doch der Herzog, Herrscher eines zwar kleinen, aber sehr
modernen souveränen Staates, Untertan des Kaisers in Wien und zugleich des
Königs von Frankreich, war bereits wie seine ganze Familie gegen Pocken
geimpft.
Das Herzogtum Pfalz- Zweibrücken
und Frankreich waren damals sehr eng miteinander verbunden. Christian IV. war
nicht nur mit dem König und Madame Pompadour persönlich befreundet, sondern
auch mit den Enzyklopädisten und anderen großen Geistern Frankreichs. Er war
Mitglied der Pariser Freimaurer Loge „Zu den drei Schwestern“, einer Loge der
auch Casanova angehörte und unterhielt in der Stadt mit dem „Hôtel de Deuxponts“
eine kleine Residenz.
So wundert es auch nicht, dass der
Herzog den Sohn des Zweibrücker Hofmalers Konrad von Mannlich, dessen Pate er
war, zur Vervollkommnung seiner Kunst nach Paris zu dem berühmten Boucher
schickte.
Dieser Christian von
Mannlich, der auch mit einem Stipendium des Herzogs in Rom studiert hatte und
fließend italienisch sprach, könnte durchaus der „deutsche Maler“ aus Casanovas
Memoiren sein.
Mannlich
wirkte wie schon sein Vater als Hofmaler in Zweibrücken. Nach dem Tod Christians
IV. übertrug ihm sogar dessen Nachfolger Karl II. August die künstlerische
Leitung der Bauten des Herzogtums, insbesondere des neuen Herzogschlosses in
Homburg, das damals größer war als das Schloss in Versailles. Wie sein
ehemaliger Lehrmeister Boucher organisierte er als Direktor der schönen Künste für
den Herzog eine herausragende Bildergalerie für Schloss Karlsberg.
Bei der Gemäldeauswahl ging Mannlich
mit großem Sachverstand vor und erwarb zahlreiche „alte Meister“ für das Herzogtum
Pfalz-Zweibrücken. Darunter auch das „ruhende Mädchen“.
Entweder ist dieses Bild die
„dritte Kopie“ oder die für Patu gemalte Kopie. Manche Autoren behaupten, dieses
Bild habe einmal dem Bruder der Madame Pompadour gehört. In diesem Fall muss
Mannlich sofort zugegriffen haben als es auf den Kunstmarkt kam.
Als der Herzog eines Tages das
Privathaus seines Hofmalers besuchte, bewunderte er dort die Privatsammlung
Mannlichs, die er diesem kurzerhand abkaufte.
Mannlich gesteht in seinen
Lebenserinnerungen ganz offen die Nachahmung Bouchers, die jedoch mit Wissen
des Meisters erfolgte: „Mein Lehrer bestärkte mich noch darin und billigte
meine Bilder, die wie echte Bouchers aussahen, so dass mich die anderen
Professoren in sichtlicher Ironie zu der Kunstfertigkeit beglückwünschten.“
Es wäre nur zu verständlich, dass
er gegenüber seinem Herzog das Gemälde des ruhenden Mädchens nicht als
„Mannlich“ enttarnt hat, sondern es als „echten Boucher“ in die Galerie
aufnahm.
Als die Wellen der französischen
Revolution auch das Zweibrücker Herzogtum erreichten und bald danach das
Schloss auf dem Karlsberg in Flammen aufging, rettete Mannlich in einer
verwegenen Aktion die Gemäldesammlung, die er schließlich nach München bringen ließ.
Nach dem Tod von Herzog Karl II.
August im Exil, wurde dessen Neffe Maximilian Herzog von Pfalz Zweibrücken und
nach dem Tod des Kurfürsten Karl Theodor tritt er auch dessen Nachfolge in
München an. Napoleon Bonaparte machte Maximilian, mit dem er noch aus gemeinsamen
Soldatenzeiten in französischen Diensten befreundet war, als Maximilian I. zum
bayrischen König.
Christian von Mannlich avancierte
nun im Königreich Bayern zum Generaldirektor der schönen Künste, korrespondierte
mit Goethe, schrieb wie Casanova seine Lebenserinnerungen und bereicherte die
„Alte Pinakothek“ durch die Gemäldesammlung von Schloss Karlsberg.
Immer wenn er an der nackten
Kleinen vorbeigegangen ist, wird er sich mit Freude an seine Pariser Zeit
erinnert haben, denn seine Lebenserinnerungen enthalten fast ebenso viele
erotische Abenteuer wie die Giacomos Casanovas.
Die Kölner Version der kleinen O
´Murphy kam später nach Deutschland. Auf beiden Gemälden ist die Abbildung des
Mädchens identisch, die gleiche von Casanova beschriebene Ausrichtung des
Körpers, die absolut gleiche verspielte Stellung der Finger, selbst der
Faltenwurf der Kissen, auf denen sie ruht unterscheidet sich nicht.
In der Münchener Version liegen
unter dem Körper zwei farbige Leintücher, in der Kölner Version ist es nur ein
weißes Tuch. Ebenso ist die Raumarchitektur des Hintergrundes in beiden Bildern
abweichend. Sie scheint mir in der Kölner Version etwas feiner ausgearbeitet zu
sein scheint.
In kleinen Details unterscheiden
sich beide Bilder sehr deutlich: Während im Kölner Bild auf einem Polster mit
schweren blauen Stoffen im linken Vordergrund ein kleines aufgeschlagenes Buch
zu sehen ist, entdecken wir an der gleichen Stelle der Münchener Version auf
einem roten Polster vor einem reichverzierten Tuch ein Räuchergefäß.
Auch die Rose hat der Maler auf
beiden Bildern nicht vergessen. Im Kölner Bild beleben drei kleine Blüten den
rechten Vordergrund, im Münchener Bild erscheint eine sehr schön ausgearbeitete
Blüte etwas links an der unteren Bildmitte.
Darin mag man ein Symbol für die
Unschuld des Modells und das Geheimnis des Bildes sehen, das Mannlich bis an
sein Lebensende bewahrt hat.
Literatur:
Casanova Giacomo Chevalier de Seingalt: Geschichte
meins Lebens, nach der Übersetzung von Heinz von Sauter, Band II, Frankfurt,
Berlin, 1964
Güse, Ernst-Gerhard (Hrsg): Kunstschätze aus Schloss
Carlsberg, die Sammlungen der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, Saarbrücken 1989
Mannlich, Johann Christian von: Roko und Revolution,
Stuttgart 1966
Mannlich, Johann Christian von: Histoire de ma vie;
editee par Bender, Karl Heinz; Kleber, Hermann; Vol. 1.; Trier 1989
Kindler, Helmut (Hrsg.): Kindlers Malerei Lexikon,
Band 1, Köln 1965
Probst, Ernst; Marie-Louise O’Murphy de Boisfally;
München 2014
Reichling, Helmut: Die Geschichte der Flucht des
Herzogs Karl II. August, Zweibücken 1993
Schwan, Jutta: Studien zur Baugeschichte von Schloss
Carlsberg, Diss. Saarbrücken 2009
Stadt Zweibrücken (Hrsg.): Das Herzogtum
Pfalz-Zweibrücken und die Französische Revolution, Katalog zur
Landesausstellung, Zweibrücken 1989
Weber, Wilhelm: Schloss Karlsberg; Homburg 1987
Bilder mit freundlicher Zustimmung des:
Walraff-Richartz- Museum & Fondation Corboud, Obermarspforten 40,
50667 Köln
Alte Pinakothek München – Bayerische
Staatsgemäldesammlungen, Barer Strasse 27, 80333 München
Stadtmuseum Zweibrücken, Herzogstrasse 9, 66482
Zweibrücken
CASANOVA
BOUCHER
MANNLICH